Tabuthema Inkontinenz – so sprichst du sie an

Obwohl viele Personen von Inkontinenz betroffen sind, ist sie weiterhin ein Tabuthema das oft von Schamgefühlen begleitet wird.

Brigitte, diplomierte Gesundheits-, und Krankenpflegerin und Beraterin bei Alles Clara kennt die Zurückhaltung zum Thema Inkontinenz aus ihrer Praxis. Sie erklärt in ihrem Artikel, dass es wichtig sein kann, das Thema Inkontinenz respektvoll anzusprechen und dass ein erfülltes soziales Leben auch trotz Inkontienz möglich ist.

Fiktive Frage einer Ratsuchenden:
“Bei den letzten Besuchen bei meinen Eltern ist mir aufgefallen, dass Uringeruch von ihnen ausgeht. Ich befürchte, dass sie inkontinent werden. Was soll ich tun? Und wie kann ich das Thema ansprechen, ohne respektlos zu wirken?“

Die Antwort von Brigitte: 

Ich kann gut nachvollziehen, dass du Respekt vor deinen Eltern hast und sie nicht verletzen möchtest. Aber ein ausführliches Gespräch ist unausweichlich. Gib ihnen das Gefühl, dass sie mit diesem Problem nicht alleine sind. Die Wahrscheinlichkeit, mit zunehmendem Alter eine Inkontinenz zu entwickeln, ist sehr hoch. Wenn sie merken, dass sie nicht die einzigen sind und dass du sie unterstützen möchtest, werden sie dir vertrauen und sich dir gegenüber öffnen. Es ist wichtig, dass sie wissen, dass es Hilfe gibt und viele Möglichkeiten, im Alltag damit zurechtzukommen.

Man sollte kommunizieren, dass die optimale Versorgung sowie eine entsprechende Körperpflege notwendig sind, um die Haut nicht zu schädigen. Je mehr sie über Inkontinenz erfahren, umso eher denke ich, dass sie Hilfe annehmen.

Ich versuche dir einen kurzen Überblick über die Arten der Harninkontinenz und die häufigsten Ursachen zu geben:


Belastungs- oder Stressinkontinenz
:

Typisch ist der Verlust von Harn beim Husten, Niesen, Lachen oder körperlicher Anstrengung. Ausgelöst wird diese Form der Inkontinenz von einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur, häufig nach Schwangerschaft oder Geburt, sowie durch Alterung oder Operationen im Beckenbereich.

Dranginkontinenz:

Hier verspürt man einen plötzlichen, starken Harndrang, obwohl die Blase nicht voll ist. Das ist oft begleitet von unwillkürlichem Harnverlust. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Einige davon sind eine überaktive Blase, neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose oder auch Blasenentzündungen.

Mischinkontinenz:

Wie der Name schon verrät handlet es sich um eine Kombination aus Belastungs- und Dranginkontinenz. Auch die Ursachen können eine Mischung aus den oben genannten Faktoren sein.

Überlaufinkontinenz:

Bei der Überlaufinkontinenz hat man einen unkontrollierten Harnverlust, wenn die Blase übervoll ist und der Druck den Schließmuskel überwindet. Auch hier gibt es unterschiedliche Ursachen. Häufig sind: Prostatavergrößerungen bei Männern, Harnröhrenverengungen oder Nervenschäden, die die Blasenentleerung beeinträchtigen.

Funktionelle Inkontinenz:

Bei dieser Form der Inkontinenz erlebt man einen Harnverlust aufgrund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die den rechtzeitigen Gang zur Toilette verhindern. Klassische Ursachen sind dabei Mobilitätseinschränkungen, Demenz oder eine schwere Arthritis.

Reflexinkontinenz:

Typsisch ist hier ein unwillkürlicher Harnverlust ohne vorherigen Harndrang. Diese From der Inkontinenz kann ausgelöst werden durch Nervenschäden aus Rückenmarksverletzungen oder neurologische Erkrankungen.

Unabhängig davon, welche Art der Inkontinenz man vermutet, ist es immer ratsam, Fachärtztinnen aufzusuchen. Gut aufgehoben ist man hierbei bei Gynäkolog:innen oder Urolog:innen. Im ersten Gespräch geht es meist darum, dass man wichtige Fragestellungen klärt. Dabei stellen sich etwa diese Fragen: 

  • Seit wann verliert man Harn?
  • Bei welcher Tätigkeit?
  • Bestehen Schmerzen?
  • Gibt es Grunderkrankungen?
  • Haben sie Kinder geboren?
  • Spüren sie, wenn die Blase voll ist?

Zusätzlich stehen Ultraschalluntersuchungen, Blutuntersuchungen usw. zur Verfügung.

Bei einem Gespräch mit dem Arzt können auch Maßnahmen gefunden werden, mit denen eine Blasenschwäche unterstützt werden kann wie etwa gezieltes Beckenbodentraining oder Hilfsmittel.

Leider führt eine Inkontinenz oft dazu, dass Betroffene weniger trinken, aus Angst, nicht rechtzeitig auf die Toilette zu kommen, was auch die Sturzgefahr erhöht. Ein konzentrierter Harn führt wiederum zu vermehrten Harnwegsinfektionen und vermehrtem Harndrang.

Mobilität und Soziales Leben

Ein wichtiger Punkt ist die Mobilität deiner Eltern. Wie fit sind sie? Benutzen sie Gehhilfen? Eine Inkontinenz ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark und kann gravierende Auswirkungen auf das soziale Leben haben, oft bis hin zur Isolation. Deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen und zum Hausarzt oder Facharzt zu gehen und Inkontinenzprodukte auf Rezept zu organisieren. Es gibt viele verschiedene Formen mit unterschiedlichen Saugstärken. Diese kann man bei einem Bandagisten vorab ansehen bzw. Muster holen, um die passenden herauszufinden.

Zu den optimalen Inkontinenzprodukten gehört auch eine entsprechende Körperpflege, um Hautirritationen und Harnwegsinfekte zu vermeiden. Wie du siehst, ist das Thema Inkontinenz sehr umfangreich.

Abschließende Gedanken

Das waren jetzt viele Informationen, ich weiß. Aber es ist wichtig, dass deine Eltern wissen und akzeptieren, dass eine Inkontinenz im Alter, durch die Abnahme der Muskelfunktion und weitere genannte Ursachen, sehr wahrscheinlich ist. Sie sollen aber auch wissen, dass durch das Tragen von entsprechenden Inkontinenzprodukten sowie entsprechender Körperpflege und der Förderung und Aufrechterhaltung der Mobilität ein soziales Leben wieder stattfinden kann.

Rückzug führt zu Isolation und Isolation zu Depression. Dies gilt es zu verhindern. Darum ermutige ich dich, mit deinen Eltern zu sprechen und sie zu informieren. Es gibt auch sehr viele interessante Broschüren dazu. Euer Hausarzt hat sicher welche aufliegen. Denke in Ruhe darüber nach und melde dich gerne, damit ich dich weiter unterstützen kann.

Alles Gute,

Brigitte

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