Beruf und Pflege: Eine Herausforderung mit weitreichenden Folgen
Rückblick auf die Veranstaltung „(Un-)Vereinbar? Beruf und Pflege im Fokus“ am 5. Mai 2025
Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wird für immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einer zentralen Herausforderung. Denn wenn Eltern oder Angehörige pflegebedürftig werden, verändert das nicht nur den Alltag, sondern auch die Erwerbsbiografie vieler Betroffener – insbesondere von Frauen.
Am 5. Mai 2025 widmete sich die Veranstaltung „(Un-)Vereinbar? Beruf und Pflege im Fokus“ diesem Thema. Im Zentrum stand die Präsentation der aktuellen Studie „Arbeitsmarktspezifische Auswirkungen von familiärem Pflegebedarf“, die EcoAustria gemeinsam mit der ERSTE Stiftung durchgeführt hat. Anschließend diskutierten Expertinnen aus Wirtschaft, Sozialwesen und Politik die Ergebnisse des vorläufigen Endberichts und ihre Implikationen für Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt.
Zentrale Ergebnisse der Studie
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanzer
Monika Köppl-Turyna (EcoAustria) präsentierte erste Ergebnisse, die zeigen: Familiärer Pflegebedarf hat deutliche Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit.
Die folgenden zentralen Ergebnisse wurden präsentiert:
Die Auswirkungen von familiärer Pflege auf die Erwerbstätigkeit sind enorm. Umgerechnet ergibt sich ein Potenzial von 20.700 Personen im Alter zwischen 40 und 64 Jahren, die in Österreich jährlich ihre Arbeitszeit reduzieren oder aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Umgerechnet in Vollzeitäquivalente entspricht das 10% der laut AMS offenen Stellen.
Höhere Wahrscheinlichkeit für Altersteilzeit:
Wird ein Elternteil pflegebedürftig, steigt die Wahrscheinlichkeit, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Dabei sind Frauen deutlich stärker betroffen als Männer.
Zunahme von Teilzeitbeschäftigung:
Die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels von Vollzeit zu Teilzeit steigt um fast zwei Prozentpunkte, wenn beide Eltern pflegebedürftig sind. Auch hier zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede zuungunsten von Frauen.
Erwerbsinaktivität bei Frauen:
Während Männer kaum betroffen sind, steigt bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich aufgrund von Pflegeverpflichtungen gänzlich vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
Einsetzen des Pflegebedarfs als Risiko:
Das Risiko, die eigene Erwerbsarbeit zu reduzieren, steigt bereits mit Einsetzen des Pflegebedarfs an und nimmt mit der Intensität zu. Den größten Unterschied macht es jedoch, ob die eigenen Eltern überhaupt Pflegebedarf haben.
Zeitliche Entwicklung:
Seit 2016 verstärken sich die beschriebenen Effekte deutlich – vor allem im Hinblick auf Altersteilzeit und Teilzeit.
Betreuungsintensität:
Je höher das Pflegegeld, desto wahrscheinlicher wird die kontinuierliche Inanspruchnahme von Altersteilzeit – mit einem Höhepunkt bei einem jährlichen Bezug von rund 13.000 Euro.
Diskussion: Stimmen aus der Praxis In der anschließenden Podiumsdiskussion – moderiert von Damita Pressl (NZZ) – diskutierten die Expertinnen die Studienergebnisse und berichteten aus ihrer Praxis. Mit dabei waren:
Gudrun Egger (Vorstandsmitglied der ERSTE Stiftung):
„Unbezahlte Arbeit ist nicht nur Pflege, sondern auch Hausarbeit und Kindererziehung. Frauen leisten etwa die Hälfte ihrer Arbeit unbezahlt – mit langfristigen wirtschaftlichen Folgen.“
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanze
Eva Höltl (Erste Bank Österreich):
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanze
„Dass Frauen häufiger pflegen, ist meist eine pragmatische Entscheidung – wegen geringerer Einkommen oder kultureller Erwartungen. Besonders betroffen sind Frauen zwischen 55 und 65 Jahren.“
Monika Köppl-Turyna (EcoAustria):
„Die Pflege wird in Österreich primär in der Familie geleistet – meist von Frauen. Die demografische Entwicklung verschärft die Lage: mehr Pflegebedarf, weniger Arbeitskräfte. Unsere Daten zeigen: Frauen reduzieren häufiger die Arbeitszeit, gehen früher in Pension oder steigen aus dem Erwerbsleben aus.“
Monika Köppl-Turyna (Direktorin von EcoAustria)
Birgit Meinhard-Schiebel (Präsidentin der Interessensgemeinschaft Pflegender Angehöriger)
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanze
„Das Problem ist riesengroß: 80 % der familiären Pflege übernehmen Frauen – in allen Generationen. Sie werden oft unvorbereitet mit dieser Rolle konfrontiert, was zu beruflichen Nachteilen führt, während das Sozialsystem profitiert.“
Nicole Traxler (Geschäftsführerin Alles Clara gGmbH):
„Seit diesem Jahr steht Alles Clara der Bevölkerung im Burgenland, Niederösterreich und Vorarlberg kostenlos zur Seite. Diese Modellregionen werden durch die Kooperation mit den jeweiligen Bundesländern ermöglicht. Nutzen Sie also die Online-Beratung und sagen Sie es weiter!“
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanze
Elisabeth Wenzl (Familie und Beruf Management GmbH):
ERSTE Stiftung/APA-Fotoservice/Tanze
„Wir arbeiten mit Unternehmen, die Vereinbarkeit aktiv gestalten – generationenübergreifend und über das ganze Erwerbsleben hinweg. Auszeitenmanagement und eine offene Unternehmenskultur sind Schlüssel dazu.“
Fazit und Ausblick
Die präsentierten Ergebnisse und Stimmen aus der Diskussion zeigen deutlich: Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege erfordert dringend Maßnahmen – politisch, gesellschaftlich und in der Arbeitswelt. Es braucht gezielte Unterstützung für pflegende Angehörige, faire und transperente Rahmenbedingungen in Unternehmen und ein Umdenken in Bezug auf Rollenbilder und Zuständigkeiten.