Ein Jahreswechsel für stille Helden

Statt Vorsätzen ein Blick zurück

Sabine, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und Beraterin bei Alles Clara, lädt in diesem Beitrag dazu ein, den Jahreswechsel einmal anders zu denken. Nicht als Moment der Selbstoptimierung mit neuen Vorsätzen, sondern als Gelegenheit, innezuhalten und wahrzunehmen, was bereits geschafft wurde. Besonders für pflegende Angehörige kann dieser Perspektivenwechsel entlastend und stärkend sein.

Sabine ist Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und Beraterin bei Alles Clara. Sie richtet zu Silvester ganz persönliche Worte an alle Leser:innen.

Wenn das Jahr zu Ende geht, beginnt für viele die Phase großer Pläne: neue Vorsätze, neue Ziele, neue Projekte. Doch was passiert, wenn wir diese Vorsätze nicht umsetzen können? Wenn trotz aller Bemühungen die alten Gewohnheiten bleiben, die Kilos auf der Waage nicht verschwinden oder der Rauchstopp wieder verschoben wird? Oft setzen wir uns selbst unter Druck und sind enttäuscht, weil die Ziele vielleicht unrealistisch waren.

Doch was wäre, wenn wir in diesem Jahr einmal anders denken? Nicht als Moment, in dem wir uns selbst optimieren oder noch mehr leisten müssen, sondern als Einladung, stehenzubleiben und wahrzunehmen, was wir bereits geschafft haben.

Unser Alltag ist oft voll und von Aufgaben bestimmt. Erfolg wird viel zu häufig daran gemessen, was noch nicht erledigt ist – nicht daran, wie viel wir bereits bewältigt haben. Das Jahresende verstärkt diesen Fokus: To-do-Listen, Erwartungen, Vergleiche. Dabei geht oft verloren, wie viel Stärke, Anpassungsfähigkeit und Mut in den vielen kleinen Momenten eines Jahres steckt.

Gerade für pflegende Angehörige fühlt sich der Jahreswechsel oft besonders schwer an. Wer pflegt, lebt noch stärker im Modus des Funktionierens: Termine, Medikamente, Behördenwege, emotionale Krisen, Nächte ohne Schlaf. Es bleibt kaum Raum, innezuhalten. Und wenn es doch einen ruhigen Moment gibt, schleicht sich vielleicht die Frage ein: „War ich gut genug?“

Die eigenen Leistungen werden selbstverständlich, die eigene Erschöpfung klein geredet, Bedürfnisse verschoben. Dabei steckt gerade in eurem Alltag so viel, das gesehen werden darf – auch wenn niemand hinschaut.

Besonders wichtig: Sich selbst sehen.

Für pflegende Angehörige ist es besonders wichtig, sich selbst wahrzunehmen – nicht nur die eigenen Leistungen, sondern auch die eigenen Bedürfnisse und Grenzen. Sich selbst zu stärken bedeutet, die eigene Kraft bewusst wahrzunehmen und aktiv zu nutzen.

Empowerment heißt: Verantwortung für das eigene Wohlbefinden übernehmen, kleine Entscheidungen treffen, die die eigene Energie erhalten, und sich selbst erlauben, auch egoistisch zu sein – ganz ohne Schuldgefühle.

Indem du deine Erfolge anerkennst, deine Grenzen respektierst und kleine, nur für dich gedachte Ziele setzt, stärkst du nicht nur deine Widerstandskraft, sondern schaffst auch die Basis dafür, weiter tragen zu können, ohne dich selbst zu verlieren.

Ein Jahresrückblick, der stärkt statt fordert

Anstatt neue Vorsätze zu formulieren, kann es heilsam sein, den Blick bewusst zurückzudrehen. Nicht um zu bewerten, sondern um anzuerkennen, was man geleistet hat.

Statt „Was will ich alles noch erreichen?“ kann der Fokus lauten: „Was habe ich überhaupt getragen? Wie bin ich durch das Jahr gekommen?“

Hilfreiche Fragen:

  • Wo habe ich meine eigenen Bedürfnisse hintenangestellt – und wie bin ich damit umgegangen?
  • Welche schwierigen Situationen habe ich getragen, obwohl es mich Kraft gekostet hat?
  • Wo habe ich meine Grenzen gespürt und trotzdem weitergemacht?
  • Welche Momente oder Entscheidungen haben mir Kraft gegeben, auch wenn sie niemand gesehen hat?

Aus diesen Erkenntnissen können neue Vorsätze entstehen – kleine, egoistische, nur für dich:

  • Ich nehme Hilfe an und gebe Aufgaben ab.
  • Ich muss nicht alles allein tragen.
  • Ich setze mir kleine Ziele, die mir selbst guttun.

Ein stilles Silvester-Ritual

Nimm dir ein paar Minuten, egal ob am 31. Dezember oder wann immer du Ruhe findest. Schaffe dir eine kleine Wohlfühl-Atmosphäre: eine Tasse Tee, Kerzenlicht, leise Musik.

Schreibe drei Sätze auf und ergänze sie mit deinen eigenen Gedanken:

  1. „Das habe ich im letzten Jahr getragen, still und ohne Anerkennung.“
  2. „Das brauche ich, um im neuen Jahr gut für mich sorgen zu können.“
  3. „Diese Grenzen will ich achten und meine eigenen Wünsche ernst nehmen.“

Es geht nicht um Leistung oder Erwartungen. Es ist ein Moment, in dem du dich selbst siehst, fühlst und wahrnimmst – auch wenn sonst niemand es tut.

Ein Jahreswechsel für stille Helden

Silvester muss nicht laut sein. Es braucht keine Feier, kein Feuerwerk, keinen Applaus von außen. Es kann ein Moment der Selbstwahrnehmung sein – begleitet von Wärme, Musik, einem Getränk und Menschen, die dir guttun.

Ein Moment, in dem du spürst:

  • Ich habe getragen.
  • Ich habe getan, was notwendig war.
  • Und ich darf egoistisch sein – für mich selbst, für meine Kraft, für alles, was kommt.

Natürlich ist es schön, wenn man ein Danke hört, Unterstützung bekommt oder die eigene Arbeit gewürdigt wird. Aber selbst, wenn es still bleibt: Ihr seid die stillen Helden, die so viel tragen und zusammenhalten. Bravo – ihr macht einen unglaublichen Job!

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