Welt-Alzheimertag – Rückblick auf den Vergissmeinnicht Ball

Mit (Freuden)-Tränen

Mein Name ist Barbara Schaffer und ich arbeite als Klinische- und Gesundheitspsychologin in der Demenzservicestelle der Volkshilfe Oberösterreich und Beraterin bei Alles Clara.

Der September ist für alle, die im Demenzbereich tätig sind, stets vollgepackt mit Terminen, Vorträgen und Veranstaltungen. Das hat einen guten Grund: Am 21. September 2025 findet der jährliche Welt-Alzheimertag statt. Seit 1994 macht dieser Tag auf die Situation von Menschen mit Alzheimer-Demenz und deren Angehörigen aufmerksam. Weltweit sind laut österreichischem Demenzbericht 2025 rund 55 Millionen Menschen von Demenz betroffen. In Österreich leben etwa 170.000 Personen mit einer Demenzerkrankung.

Im Beitrag erzählt Barbara von ihren Erfahrungen auf dem Vergissmeinnicht Ball.

Der diesjährige Welt-Alzheimertag stand unter dem Motto: „Demenz – Mensch sein und bleiben“. Damit soll deutlich gemacht werden, dass Menschen mit Demenz nicht durch ihre Krankheit definiert werden, sondern weiterhin Teil der Gesellschaft sind – mit all ihren Stärken. Die Fähigkeit, Gefühle wie Freude, Angst und Schmerz zu empfinden, bleibt erhalten – bis zuletzt.

Diese Freude habe ich am Samstag, den 20. September, ab der ersten Minute gespürt, als der Vergissmeinnicht-Ball eröffnet wurde. Ich war zum ersten Mal dabei und hatte keine Vorstellung davon, wie viel Lebensfreude in einen Raum passen kann. Jeder andere Ball, den ich in den letzten 25 Jahren besucht habe, konnte einpacken. Hier wurde ab der ersten Sekunde die Tanzfläche gerockt. Ich habe so etwas noch nie erlebt – und es hat mich zutiefst berührt.

Der Vergissmeinnicht-Ball ist eine Tanzveranstaltung, die um 14:00 Uhr beginnt, niemanden ausschließt, viel Platz für Rollstühle, Gehhilfen und Rollatoren bietet und unter der Botschaft „Teilhabe“ wirklich dazu einlädt, offen zu tanzen, zu lachen und Gemeinschaft zu erleben. Es ist ein Versuch, in den Nachmittagsstunden die eigenen Probleme, Diagnosen oder alltäglichen Schwierigkeiten zu vergessen – und einfach zu sein und zu fühlen.

So sah das offizielle Plakat des Vergissmeinnicht Balls 2025 aus.

Ein großartiges Musikduo spielt Lieder von „früher“. „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ wird mit jedem Wort mitgesungen – obwohl man vielleicht noch vor ein paar Stunden den Namen der Ehefrau vergessen hatte oder nicht mehr wusste, wie man sich die Jacke anzieht. In diesem Moment ist aber alles da: die Freude, die positiven Gefühle. Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich schon wieder Tränen in den Augen – genauso wie an jenem Nachmittag.

Es lässt sich kaum beschreiben, wie tief mich diese Lebensfreude von Demenzbetroffenen und deren Angehörigen berührt hat. Vor allem, da ich meist die andere Seite erlebe – jene, in der mir berichtet wird, wie schwer der Alltag aufgrund kognitiver Defizite geworden ist. Und dann sehe ich: Ein Sohn tanzt mit seiner Schwiegertochter. Die Mutter sitzt im Rollstuhl daneben und schwingt die Arme. Plötzlich nehmen sie die Mutter in die Mitte, stützen sie – und tanzen zu dritt. Ehrlich: Da sind alle Dämme gebrochen, und ich habe geweint.

Ich werde mir dieses Bild immer vor Augen halten – um mich selbst daran zu erinnern: Wir sind mehr. Wir sind mehr als eine Diagnose, mehr als ein bestimmtes Problem. Wir dürfen lachen, tanzen, singen und uns einfach am Leben erfreuen!

Und genau darum geht es auch, wenn man den aktuellen Stand der Wissenschaft zur Demenz betrachtet. Es gibt 14 wissenschaftlich belegte Risikofaktoren, die man im Laufe des Lebens vermeiden oder verringern sollte, um das persönliche Demenzrisiko zu senken. Präventive Maßnahmen gewinnen daher zunehmend an Bedeutung. Studien zufolge könnten über 30 % der Demenzfälle durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden.

Einige dieser Maßnahmen wurden beim Ball definitiv in die Tat umgesetzt: Soziale Aktivität ist der wichtigste Schutzfaktor gegen Demenz. Es wurde gelacht, miteinander gesprochen und interagiert, einander geholfen und sich gefreut. Körperliche und geistige Aktivität fanden beim Tanzen und Mitsingen statt.

Weitere präventive Maßnahmen finden sich im Programm „7 Schritte weg von der Demenz“ des österreichischen Neurologen Primar Dr. Elmar Kainz.

Ich tanze dann mal weg!

Quellen in diesem Beitrag:

Österreichischer Demenzbericht 2025

https://www.deutsche-alzheimer.de/ueber-uns/welt-alzheimertag

who.int 

demenz.info

www.demenz-forschung.ch

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Ein Beitrag in Kooperation mit der Caritas der Erzdiözese Wien

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