Am Welt-Down-Sydrom-Tag sind Elisabeth Piwerka und Martina Ellinger von den Frühen Hilfen Graz (LebensGroß) für das Clartext Magazin im Interview. Im Zentrum steht die Frage: „Wie gehe ich als Familie mit einer diagnostizierten Wahrscheinlichkeit um?“.

Die Frühen Hilfen unterstützen Familien von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes kostenlos. Sie sind finanziert von Bund, Ländern, sowie Kranken- und Pensionsversicherungsträgern. In der Steiermark setzen das Angebot Jugend am Werk Steiermark GmbH und LebensGroß gemeinsam im Auftrag der Österreichischen Gesundheitskasse um.
Die Geburtenrate von Kindern mit Trisomie21 sinkt stetig, weil diese Form der Behinderung durch die Pränataldiagnostik frühzeitig erkannt wird. Doch viele Eltern sind mit der Situation überfordert. Was ist Ihr Rat?
Die Vorstellung, dass das eigene Kind mit Herausforderungen konfrontiert sein wird, welche Kinder ohne Diagnose nicht haben werden, ist für Eltern oft eine Belastung. Mein Rat ist sich an Selbsthilfegruppen zu wenden und spezialisierte Beratungsstellen zu kontaktieren. Diese Gruppen können differenziert Auskunft geben. Sie kennen die Realität, die sich hinter einer Diagnose oder einer errechneten Wahrscheinlichkeit verbirgt.
Abraten würde ich von einer Selbstrecherche im Internet. Es ist als würde man Beipackzettel von Medikamenten lesen und nur die schlimmsten Nebenwirkungen erklärt bekommen.
Bei den Frühen Hilfen sind Sie schon während der Schwangerschaft für Eltern da? Was raten Sie Eltern, die in so einer Situation über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken?
Wir raten Eltern, sich Fachexpertinnen zu suchen, die sie ergebnisoffen beraten. Die Entscheidung für ein Kind – mit einer Behinderung oder ohne – ist immer lebensbeeinflussend. Und sehr pragmatisch muss man sagen, es gibt nie Gewissheit, dass das eigene Kind gesund auf die Welt kommen wird..

Beim Podcast „Pflegende Eltern Lebensgeschichten“ stehen pflegende Eltern im Mittelpunkt. In persönlichen Gesprächen reden sie über Veränderungen, Ängste und die Liebe, die ihnen hilft, den kräftezehrenden, aber auch hoffnungsvollen und schönen Alltag zu meistern. Diese Geschichten erzählen von besonderen Zugängen zum Leben.
Es gibt zwei Folgen zum Thema Trisomie21:
Der Podcast „Pflegende Eltern Lebensgeschichten“, wird von LebensGroß unterstützt.
Welche Tipps gibt es für die ersten Lebensjahre, wenn das Kind mit Behinderung auf die Welt kommt? Eltern erleben es oft als belastend, dass ihr Kind langsamere Entwicklungsschritte macht als andere Kinder. Was kann Eltern gut helfen, mit dieser Situation umzugehen?
Kinder kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Kinder machen Entwicklungsschritte in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Es braucht Vertrauen, dass die Kinder in ihrem Tempo die ihnen möglichen Schritte machen. Wir leben in einer Zeit, in der uns täglich über Sozialen Medien die heilen Welten anderer Familien präsentiert werden. Selbst Familien mit Kindern mit Behinderungen stellen oft aus guten Gründen nur die Sonnenseiten dar. Wir ermutigen Eltern immer, sich an Fachkräfte zu wenden, wo das gesamte Gefühlsspektrum Platz hat.
Schuld ist ein großes Thema in diesem Zusammenhang. Schuldgefühle, abzutreiben. Schuldgefühle ein Kind mit Behinderung in die Welt gesetzt zu haben. Schuld, sich nicht ausreichend informiert zu haben.
Wir hätten gerne Erklärungen für Dinge, die für uns eine Herausforderung sind. Unser Verstand neigt dazu, nach Erklärungen zu suchen, weil wir die Welt verstehen wollen. Gefühle hat man. Wichtig ist, wie wir mit diesen Schuldgefühlen umgehen. Ich kann es nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist, sich Menschen zu suchen, die einen entlasten. Schuldgefühle beinhalten Trauer, Wut, Scham und verhindern Akzeptanz für das, was ist. Ein Tipp wäre, Menschen zu meiden, die diese Schuldgefühle verstärken.
Danke an LebensGroß und ganz besonders an Elisabeth Piwerka und Martina Ellinger von den Frühen Hilfen für das gemeinsame Interview.